Predigt von Pastor Dr. Michael Bendorf, Braunschweiger Friedenskirche, 16.06.19
Thema: Die Kraft Gottes zur Heilung
Text: Apg 3,3-16
Leitvers: „Sie werden Kranken die Hände auflegen und sie heilen.“ Mk 16,18
Als ich vor einiger Zeit auf Facebook den Flyer für einen Heilungsgottesdienst hier in der Friedenskirche gepostet habe, schrieb mir ein Bekannter folgenden Kommentar: „Massenveranstaltungen wie Heilungsgottesdienste erinnern mich immer an Sekten. Heilung ist immer ganz persönlich…und intim in der Beziehung Mensch Gott. In der Bibel finde ich diese Vorgehensweise „Heilungsgottesdienst“ nicht.“ Peng, das hatte gesessen. Was macht ihr da in Braunschweig? Ist das biblisch haltbar und vertretbar? Kann Jesus dazu seinen Segen geben? Ja, Jesus hat machen Heilungsgottesdienst gehalten. Ja, er hat dazu nicht eingeladen, so wie wir es tun. Seine Heilungsgottesdienste haben sich eher spontan ergeben, weil so viele Kranke und Leidende gleichzeitig zu ihm kamen. Und er hat ihren Wunsch nach Heilung nie abgetan, sondern von Herzen gerne geheilt.
Und dennoch kann ich erspüren, was mein Bekannter meint. Wir verkaufen hier keine Heilung und versprechen auch keine Heilung. Aber als Gemeinde haben wir den Auftrag, für Kranke zu beten und wollen darauf vertrauen, dass Jesus in unserer Mitte wirkt. Ich selbst bin auf einer solchen „Massenveranstaltung“ einmal von Jesus geheilt worden. Es war wirklich ein Wunder, das mich tief ergriffen und berührt hat, weil ich so verzweifelt war. Ich war damals Student in Göttingen und litt plötzlich aus heiterem Himmel unter akuten Herzrhythmusstörungen. Sie waren so intensiv, dass ich ohne Übertreibung Angst um mein Leben bekam. Ich war mir nicht mehr sicher, ob mein Herz den nächsten Schlag zuversichtlich schaffen würde. Manchmal waren die Störungen so heftig, dass ich fast fluchtartig den Hörsaal verlassen musste. Einmal kamen sie abends im Bett so heftig über mich, dass ich mich nicht mehr traute aufzustehen, weil ich befürchtete, dass mein Herz versagen würde. Ich wusste wirklich nicht mehr, ob ich die Nacht überleben würde.
Ich ging zu meinem Hausarzt, der Facharzt für innere Medizin war. Er schickte mich weiter zu einem Kardiologen, der mein Herz intensiv untersuchte. Er fand zwar etwas, es war ihm aber nicht substanziell genug, um die schweren Herzrhythmusstörungen zur erklären. Er schickte mich zum Neurologen, der meine Hirnströme untersuchte. Da auch diese Untersuchung keinen neuen Befund brachte, wurde mir im Krankenhaus Hirnwasser entzogen. Ach dieser Befund war unauffällig. Nachdem ich nun diese Fachärzte durch hatte, schickte mich mein Hausarzt zu einem Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Das hörte sich für mich als junger Mann nicht gut an. Zu meiner Beruhigung konnte auch er nur feststellen, dass ich völlig normalgestört war und es offensichtlich keinen Zusammenhang zwischen meiner Psyche und meinen Herzstörungen gab. Niemand konnte diese Herzrhythmusstörungen erklären, und dennoch kamen sie immer wieder. Eines Tages sind wir mit einigen Leuten zu einer Konferenz nach Hannover gefahren, die von der Geistlichen Gemeindeerneuerung der lutherischen Landeskirche angeboten wurde. Dort wurde auch ein Heilungsgottesdienst angeboten und viele Beter waren bereit, für Kranke zu beten.
Ich saß auf meinem Platz und kämpfte mit mir. Vielleicht kennst du diesen inneren Kampf. Stehe ich auf und lasse für mich beten – in der Gefahr enttäuscht zu werden – oder belasse ich es in der Hoffnung, dass die Rhythmusstörungen irgendwann aufhören? Und dann stand ich auf und ging nach Vorne. Ich wollte es wissen. Ein Mann kam zu mir; ich berichtete ihm kurz von meinem Leid und dann legte er eine Hand auf mein Herz und die anderen auf meine Schulter. Während er betete, spürte ich eine innere Hitze in meinem Herzen, die aber angenehm war, und ich merkte irgendwie, dass etwas anders wurde. Der Beter forderte mich abschließend auf, einmal um den Kuppelsaal zu joggen. Das erschien mir nach meinen bisherigen Erfahrungen viel zu gefährlich. Wer mich kennt und weiß, welche Strecken ich heute laufe, muss vielleicht darüber lachen, aber genau das war mein Erleben darin. Und so entschied ich mich für einen zügigen Spaziergang, obwohl ich eine innere Gewissheit hatte, dass ich geheilt war. Und was soll ich sagen: Meine Herzrhythmusstörungen waren schlagartig weg und kamen nie wieder. Ja, es war eine Massenveranstaltung, wenn man so will, aber darin eine sehr persönliche Begegnung mit Gott – so als wenn ich ganz allein vor ihm wäre. Und genau so eine persönliche Begegnung mit Gott wollen wir auch heute in unseren Gebeten ermöglichen.
Ich möchte nun auf unseren Text zu sprechen kommen, der ja auch so eine persönliche Begegnung beinhaltet. Er löst ja bei uns möglicherweise recht unterschiedliche Reaktionen aus. Manchen ermutigt und berührt dieser Text: Quasi so im Vorbeigehen wird mal eben ein Gelähmter geheilt. Wir sind erstaunt von der Sicherheit und Autorität, die Petrus an den Tag legt, als er den Gelähmten anspricht: „Silber habe ich nicht, und Gold habe ich nicht; doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen von Jesus Christus aus Nazareth – steh auf und geh umher!“ (Apg 3,6). Das ist eine klare Ansage.
Wir fragen uns: Wie geht so etwas? Hatte er überhaupt keinen Zweifel, dass das nicht funktionieren könnte? Muss man so klare Ansagen im Glauben machen? Sind wir zu zurückhaltend und ungläubig geworden und erleben daher einfach zu wenige Wunder in unserer Mitte? Müssen wir Heilung stärker mit unseren Worten proklamieren?
Was hat Petrus richtig gemacht? Oder waren das einfach nur die guten alten Zeiten in der Frühphase des Christentums, in denen Gott einfach mehr Heilungsgnade geschenkt hat, damit sich das Evangelium leichter und weiter verbreiten konnte? Zeiten, die vorbei sind, und die wir daher nicht heute zum Maßstab unseres Handelns und Erlebens nehmen dürfen? Schauen wir uns den Text noch einmal an. Zunächst können wir zwei Dinge beobachten, die uns etwas Erstaunliches aufzeigen:
1) Petrus und Johannes gehen nachmittags um 15:00 Uhr zum Gebet. Und die Formulierung macht deutlich, dass sie dies regelmäßig tun. 15:00 Uhr ist eine traditionelle Gebetszeit im Tempel zur Zeit Jesu und beide Jünger halten sich daran.
2) Im Eingangsbereich der Schönen Pforte sitzt ein Gelähmter, lahm von Geburtan. Über diesen Mann erfahren wir in Apg 4, dass er über 40 Jahre alt war. Täglich wurde er vor diese Pforte gesetzt, die den Übergang vom Hof der Nationen zum Hof der Frauen markiert. An dieser Pforte konnte er auf Almosen hoffen. Almosen geben gehört im Judentum zum Gottesdienst. Alle, die in den Hof der Frauen und von dort aus weiter in den Hof der Männer oder Priester gehen wollten, mussten an dieser Pforte vorbei. Die Schöne Pforte war so gesehen ein perfekter Ort für Bettler.
Was können wir noch aus dem Umfeld des Textes entdecken? Die Auferstehung ist noch in aller Munde. Der Hohepriester Kaiphas ist noch im Amt. Die Begegnung zwischen den dreien an der Schönen Pforte muss recht bald nach Jesu Auferstehung stattgefunden haben, vielleicht noch im selben Jahr. Und nun ereignet sich diese spontane Heilung. Wir lesen von dem aufmerksamen und festen Blick der Jünger. Sie fokussieren den Gelähmten und fordern ihn auf, das Unmögliche zu tun: „Steh auf und geh umher.“ Das hatte der Gelähmte überhaupt nicht auf dem Schirm; was er wollte, war Geld. Seine Erwartung waren Almosen, keine Heilung! Die Jünger erwarten nicht nur passiv, dass er aufsteht, nein, Petrus reicht ihm die Hand zum Glaubensvollzug:
„Mit diesen Worten fasste er ihn bei der rechten Hand und half ihm, sich aufzurichten. Im selben Augenblick kam Kraft in die Füße des Gelähmten und seine Gelenke wurden fest“ (V. 7).
Im Vollzug des menschlich Unmöglichen, in der Befolgung der Aufforderung ereignet sich die Heilung. Was ist da eigentlich passiert? Petrus erklärt dieses Heilungswunder später so:
„Das Vertrauen auf diesen Jesus hat dem Mann, der hier steht und den ihr alle kennt, Kraft gegeben. Der Name von Jesu hat in ihm einen Glauben geweckt und ihm die volle Gesundheit geschenkt, die ihr an ihm seht“ (Apg 3,16)
Der Name Jesus hat in ihm einen Glauben geweckt, der vorher gar nicht da war. Erinnern wir uns: Petrus sagt zu ihm: „Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher.“ In dem Moment, in dem Petrus den Namen Jesus ausspricht, weckt dieser Name bei dem Mann einen Glauben, plötzlich ist das Vertrauen da, dass dieser Jesus sein Leben grundlegend verändern kann, ja, ihn auch körperlich heilen kann. Durch diesen Glauben wird eine Kraft zur Heilung freigesetzt.
Der Gelähmte spürt, dass es Jesus selbst ist, der ihn anspricht, der ihn sieht, der ihn ermutigt, aufzustehen. Er, der nicht weiß, was es bedeutet zu stehen, ist aufgefordert, aufzustehen. Und er spürt es, dass es letztlich die Hand Jesu ist, die Petrus ihm reicht … und er ergreift sie im Glauben. Das ist sein Anteil an der Heilung. Und er erlebt, dass in dem Namen Jesus alle Macht und Kraft ist, ihn zu heilen. Es ist Macht in dem Namen Jesus zu heilen, Wunder zu tun. Auch heute, auch hier. Vielleicht geht es dir heute wie dem Gelähmten: Heilung ist gerade das letzte, woran du denkst oder erwartest. Vielleicht aber will Jesus gerade heute dich überraschen. Vielleicht weckt er heute in dir einen Glauben, den du bisher noch gar nicht hattest? Wirst du reagieren, wirst du antworten? Wirst du ihn ergreifen?
Der Pastor des Gospel Forums in Stuttgart, der größten Freikirche Deutschlands, berichtete uns in einer kleineren Pastorenrunde vor einiger Zeit, dass er in einem Team nach Äthiopien geflogen ist, um dort auf fast 3000 Meter Höhe die Bergstämme zu evangelisieren. Er sagte uns, dass dies die intensivste Erfahrung war, die er jemals mit Gott gemacht hat. Die Menschen kamen zu Tausenden aus ihren abgelegenen Dörfern. So viele waren unterversorgt, mangelernährt, krank. Und natürlich kannte er all die Berichte über die Massenbekehrungen und Heilungswunder, die wir immer wieder aus Afrika hören. Aber es ist eben die eine Sache, davon zu hören oder es selbst zu erleben. Er berichtete uns, dass er kaum angefangen hatte zu predigen, dass wie aus dem Nichts der Heilige Geist begann, stark unter den Menschen zu wirken. Zahllose Menschen wurden ergriffen vom Evangelium, körperliche Heilungen geschahen. Menschen, deren Körperteile von Geburt an verkrüppelt waren, erlebten plötzlich eine komplette Wiederherstellung ihrer Körperteile. Der Geist Gottes ergoss sich so intensiv auf Tausende von Menschen, dass sie als Team nur noch in Ehrfurcht da standen: .Massen an Bekehrungen und Heilungswundern, das man sich die Augen reiben musste, weil mach es nicht glauben konnte.
Wir wissen, Peter Wenz weiß, dass es derselbe Gott ist: in Afrika, in Stuttgart und in Braunschweig. Kein Mensch, keine Erkrankung, Nichts ist für ihn ohne Hoffnung. Die Kraft ist dieselbe. Und Peter fragt sich eben auch: Warum erfahren wir nicht noch mehr von dieser Kraft in Stuttgart. Warum war mein Dienst in dieser Heilungsdimension in Afrika wirkungsvoller als in Stuttgart in meiner Ortsgemeinde? Ich bin doch derselbe Peter! Nun gibt es verschiedene Erklärungsansätze, die alle ihre Stärken und Schwächen haben.
Aber hat Gott nicht noch mehr für unser Land auf dem Herzen, für unsere Region, Stadt, Gemeinde, ja für uns persönlich? Es geht doch um sein Reich, das in unserer Mitte schon längst angebrochen ist, um die Vollendung seiner liebenden Herrschaft, um sein Erbarmen, um Wiederherstellung, um Heilung. Ich will glauben, dass Gott mit unserem Land und unserer Stadt noch nicht fertig ist, dass wir in einem viel stärkerem Maße als bisher Heilungen in unserer Mitte erfahren werden.
Und das führt mich zurück zu unserem Bibeltext: Ich habe es vorhin angedeutet, dass dieser Text etwas Erstaunliches beinhaltet. Vielleicht ist es manchem von euch schon aufgefallen. Das können wir über den Mann im Hinblick auf seine Lähmung sagen? Ganz grundsätzlich, dass über 40 Jahre hinweg irgendeine Heilung ausgeblieben ist. Und mehr: Wenn der Gelähmte täglich an die Schöne Pforte gelegt wurde und Petrus und Johannes nach ihrer Gewohnheit täglich durch diese Pforte zum Gebet gegangen sind, dann muss dass bedeuten, dass sie den Gelähmten vom Sehen her kannten. Sie waren mit seiner Situation vertraut. Da sitzt wie immer, Tag für Tag, der Gelähmte. Jeden Tag sind sie an ihm vorbei gegangen. Haben sie ihn gestern geheilt? Vorgestern? Den Tag zuvor? Offensichtlich nicht. Warum aber plötzlich heute? Was ist heute so anders, dass Petrus zu ihm sagen kann: „Im Namen von Jesus Christus aus Nazareth – steh auf und geh umher!“
Der Schlüssel für die Antwort auf diese Frage liegt in V 4: „Petrus aber mit Johannes blickte fest auf ihn …“. Mal ehrlich: Wenn du täglich an einem Bettler vorbei gehst und er dich und jeden anderen um dich herum um ein Almosen bittet, dann wirst du ihn irgendwann nur noch am Rande wahrnehmen oder sogar ignorieren – oder? Von solchen Schicksalen gibt es zu viele! Du kannst nicht jeden auf dein Herz nehmen. Hier aber werden beide in ihrer Alltagsroutine unterbrochen. Sie blicken ihn „aufmerksam“ bzw. „fest“ an kann nur bedeuten, dass es der Heilige Geist ist, der ihre Aufmerksamkeit auf den Gelähmten lenkt. Und als Folge gewinnt der Gelähmte die Aufmerksamkeit der Jünger. Und wenn Petrus dann anschließend sagt: „Sieh uns an!“, dann macht es deutlich, dass der Gelähmte seine Almosenbitte herunter spulte, ohne die beiden Jünger eigentlich wirklich zu beachten.
Verstehen wir das? Jeder macht hier eigentlich sein Ding. So funktioniert doch unser Alltag. Wir spulen unser Programm runter, manchmal auch unser religiöses Programm wie Petrus und Johannes. Beide wollen eigentlich wie immer am Gelähmten vorbei zum Gebet und der Gelähmte hat all die Menschen, die täglich an ihm vorbei gehen nicht im Blick und spult seine Bitten herunter. Alle sind unaufmerksam, es fehlt ihnen an Achtsamkeit für den Moment, bis der Heilige Geist übernatürlich in das Natürliche kommt – und dann ist Action angesagt. Erinnern wir uns an unser Monatsthema: „Natürlich übernatürlich!“ Damit wollen wir auch ausdrücken, dass wir in unserem Alltag mit dem Übernatürlichen rechnen wollen! Das Reich Gotts ist doch angebrochen. Jesus ist auferstanden! Ihm ist alle Macht gegeben. Wir haben seinen Geist empfangen, der durch uns wirken will. Paulus beschreibt es in Gal 5,25 wie folgt: „Da wir also durch Gottes Geist ein neues Leben erhalten haben, wollen wir uns jetzt auf Schritt und Tritt von diesem Geist bestimmen lassen.“ Wollen wir das? Will ich das? Willst du das?
Das ist Nachfolge Jesu! Genau so hat auch Jesus gelebt! Jesus hat über sich in Joh 5,19 gesagt: „Der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den Vater tun sieht; denn was der tut, das tut ebenso auch der Sohn.“ Und so kam es vor, dass Jesus ganz sensibel für das Reden und Wirken des Heiligen Geistes in seinem Leben war. Vor einigen Wochen hat meine Kollegin über die Heilung des Gelähmten gepredigt, der von seinen Freunden über das aufgebrochene Dach auf einer Matte zu Jesus herunter gelassen wurde. Lukas schreibt dazu einleitend: „Und die Kraft des Herrn war da, damit er heilte“ (Lk 5,17). Jesus erspürte im Geist seines Vaters, dass er diesen Gelähmten heilen jetzt heilen sollte … und er heilte ihn.
Jetzt war auch die Zeit für den Gelähmten an der Schönen Pforte! Jetzt heißt dann aber auch: Vorher nicht! Und das führt mich zu einer weiteren erstaunlichen Einsicht. Wenn diese Heilung in der Frühphase nach der Auferstehung Jesu geschah und der Gelähmte schon lange Zeit Tag für Tag an die Schöne Pforte gelegt wurde, was bedeutet das eigentlich für die Woche, in der Jesus vor seiner Kreuzigung Tag für Tag in den Tempel kam bis er dann gefangen genommen und gekreuzigt wurde – um es in unserer vertrauten Sprache zu sagen: von Palmsonntag bis Karfreitag? Wir ahnen es: Jesus muss mehrfach an diesem Gelähmten vorbei gegangen sein – ohne ihn zu heilen. Mt schreibt sogar über dieses Auftreten Jesu kurz vor seiner Kreuzigung:
„Während er im Tempel war, kamen Blinde und Lahme zu ihm, und er heilte sie“ (Mt 21,14).
Er heilte sie, aber nicht ihn. Er heilt andere, aber nicht dich? Hat Jesus ihn nicht gesehen? Sieht er dich nicht? Geht er einfach achtlos an dem Gelähmten vorüber? Geht er achtlos an dir vorbei? Schenkt Jesus dir keine Beachtung?
Vielleicht war es aber auch so: Jesus will durch die Schöne Pforte gehen, nimmt den wiederholt Gelähmten wahr, Tag für Tag, und in seinem Blick ist die liebevolle Zuwendung bzw. Gewissheit, dass er diesen Mann heilen will und wird – durch Petrus und Johannes. Und die Jünger waren an Jesu Seite; sie haben wahrgenommen, dass Jesus an dem Gelähmten vorüberging. Und so haben sie es dann auch gemacht – bis der Heilige Geist sie störte und ihre Aufmerksamkeit auf diesen Mann und sein Schicksal lenkte.
Und so wagen sie es. Jesus hatte ihnen ja geboten, für Kranke zu beten, ihnen die Hände aufzulegen und zu reichen. Und er hatte ihnen zugesagt, dass sie Heilungswunder erleben würden. So auch hier. So auch hoffentlich in unserer Mitte – immer wieder neu und hoffentlich immer mehr. Und im glaubenden Vollzug ereignet sich das Wunder.
Zum Abschluss möchte ich zwei konkrete Akzente setzen bzw. dir zwei Fragen stellen:
1) Bist du bereit, Heilung zu empfangen?
Der Name Jesus hat den Glauben geweckt, der vorher nicht da war. Dieser Name entfaltet eine Kraft. In diesem Namen steckt Kraft – auch Kraft zur Heilung. Petrus sagte zum Gelähmten: „Sieh uns an!“ Ich möchte dir sagen: Sieh Jesus an! Auch gleich in der Gebetszeit; und sprich seinen Namen hörbar aus: Jesus! Halte dich ihm hin, auch mit deiner Krankheit. Egal, wie alt sie ist und wie lange sie dein Leben bereits prägt und bestimmt. Wenn ich auf meinen Körper schaue, dann gibt es da manches „Ach“ zu beklagen. Und zugleich könnte ich von manchem Heilungswunder berichten – Halleluja. Ach und Halleluja, sie durchziehen unser Leben.
2) Bist du bereit, es neu zu wagen, für Kranke zu beten?
Mal ehrlich: Wann hast du das letzte Mal für einen kranken Menschen um Heilung gebetet? Wie ernst ist dir dieser Heilungsauftrag Jesu? Vielleicht ist es heute für dich dran, für deine Nachlässigkeit Buße zu tun und diesen Auftrag neu anzunehmen. Jesus sagt zu seinen Nachfolgern: „Heilt die Kranken … und sprecht zu ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen“ (Lk 10,9). Heilt die Kranken, nicht nur hier in der Gemeinde, im Hauskreis, sondern auch dort, wo du morgen deinen Alltag verbringst. Wenn du danach fragst: Was nehme ich heute praktisch aus diesem Gottesdienst mit, was hilft mir für meinen Alltag, dann ist es vielleicht dein Versprechen, dein commitment, an Gott, ganz neu für Kranke in deinem Umfeld zu beten und zu erspüren, wo der Geist etwas durch dich wirken will. Vielleicht genau dort bei den Menschen, deren Erkrankung oder Situation du schon seit Jahren akzeptierst und hingenommen hast. Vielleicht wird dich der Heilige Geist morgen stören – darf er das? Willst du dich auf Schritt und Tritt von diesem Geist bestimmen lassen? Was könnte passieren?
Ich möchte uns jetzt gleich in der Gebetszeit eine kleine Trainingsaufgabe geben. Möglicherweise wirst du gleich nicht nach vorne kommen, um für dich beten zu lassen. Dann möchte ich dich auffordern, deinen Nachbarn freundlich anzusprechen, ob es in seinem Leben irgendeine Erkrankung, ein Ach, gibt, für das du jetzt kurz beten darfst. Und dann betet einfach zu zweit an eurem Platz füreinander. Und wer das nicht möchte, kann einfach ohne schlechtes Gewissen sagen: „Vielen Dank für deine Bereitschaft, für mich zu beten, aber ich habe kein Anliegen.“ Und dann ist es gut so.
Wir wollen uns jetzt mit dem kommenden Lied noch einmal auf Gott ausrichten, bevor wir dann konkret starten.